anse
Platin Member VIP
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Bei Waldbrand Tel. 1515
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1 Manche Nettigkeit, die ich in Italien erlebt habe, ist dort nur möglich, weil von den netten und hilfsbereiten Menschen Vorschriften verletzt werden. Und da ist in Italien der Freiraum wohl etwas größer, natürlich nur inoffiziell, als in Deutschland: Eine meiner Wandergruppen kam mit dem Intercity von Rom nach Reggio Calabria und saß in den Kurswagen, die in Lamezia abgehängt werden und dann rüber auf die jonische Seite fahren (ebenfalls weiter nach RC). Der Zug kam in Locri an, die Gruppe war nicht vollzählig. Es fehlen drei, die kämen später. Schaffner und Bahnhofsvorsteher wussten sogar schon die voraussichtliche Ankunftszeit. Was war passiert? Die drei waren in Speisewagen gegangen, genossen die Aussicht aufs Meer und den Cappuccino, bis die Schaffnerin kam, "biglietti prego". Die hätten sie im Abteil, gingen mit der Schaffnerin nach hinten im Zug und standen dann vor einer geschlossenen Tür mit Blick auf die rasch hinter ihnen bleibenden Schienen. Wohin sie wollten. Nach Locri. Da seien sie im falschen Zug, die Wagen seien in Lamezia abgehängt worden. Im nächsten Bahnhof, in Vibo Valentia mussten sie aussteigen und wurden dem Bahnhofsvorsteher übergeben. Der hörte sich die Geschichte an. "Ich besorge Ihnen ein Taxi, der bringt Sie nach Lamezia, dort klappt der Anschluss". Sprach mit dem Taxifahrer, auch über den Preis, die drei stiegen ein, wurden mit Höchstgeschwindigkeit nach Lamezia zum Bahnhof gebracht, dort dem Bahnhofsvorsteher übergeben, den sein Kollege schon informiert hatte, damit der Zug wartete und in den richtigen Zug nach Catanzaro Lido gesetzt oder eigentlich eher dem Schaffner übergeben. In CZ-Lido wartete der Anschlusszug nach Roccella Jonica, dort und ebenso in Roccella wurden die drei Reisenden fürsorglich weitergereicht. Eine Fahrkarte wollte auf der ganzen Fahrt niemand sehen. Und zum Nachlösen und abstempeln wäre gar keine Zeit gewesen.
2 Im sizilianischen Nahverkehr muss man vielfach die Langstreckenzüge nach Norditalien nehmen. Wir saßen in den beiden vordersten Wagen des Nachtexpress nach Venedig, die in Messina abgehängt werden und in Sizilien bleiben. Gegenüber saß ein junger Mann, ganz deutlich kein Sizilianer. Als er uns deutsch sprechen hörte, fragte er, wie das hier mit den Kontrollen sei. Er habe in Palermo seine Fahrkarte abgestempelt, die dann auf dem Bahnsteig einem der Schaffner gezeigt und dann wohl verloren. Das hätte er jetzt erst im fahrenden Zug bemerkt „Wenn der Zug so voll ist wie jetzt, kommen die Schaffner meist erst nach Termini Imerese, der ersten Station zum Kontrollieren.“ Sie kamen aber früher. Der Ärmste versuchte dem Schaffner seine Situation auf englisch zu erklären, der trotz fehlender Englischkenntnisse die Situation sofort verstand und auf Italienisch was von Bahnhofsvorsteher und Strafe erzählte. Da habe ich dem Schaffner von tragischen Verlust der Fahrkarte auf dem Bahnhof von Palermo erzählt, und davon, dass der Unglücksrabe in Cefalù noch den Bus ins Landesinnere kriegen wollte. Dann hat er nur abgewinkt und sogar eine gute Weiterfahrt gewünscht. Sicher nicht nur Nettigkeit. Der Zug war schon verspätet. Der Schaffner hätte in Termini, einem der größten Bahnhöfe in Sizilien, mit dem Schwarzfahrer zum Bahnhofsvorsteher gehen müssen, dort wahrscheinlich einige Formulare ausfüllen müssen. Und der Zug hätte die ganze Zeit gewartet und noch mehr Verspätung angesammelt.
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