anse
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Bei Waldbrand Tel. 1515
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Aber hoppla! Wie intensiv sich die Italiener 58 Jahre nach dem Ende des Faschismus durch den nationalen Widerstand der Partisanen in Mittel- und Norditalien und durch die aliierten Truppen mit dieser Epoche auseinandersetzen, zeigen solche Projekte oder die ständigen Wallfahrten zum Mussolini-Haus in Predappio bei Forlì nicht nur von Greisen, die diese Epoche noch selbst erlebt haben, sondern von jungen Menschen. Wenn das Geschichtsbewusstsein ausgeprägter und schärfer gewesen wäre, würde Italien heute nicht in Richtung eines autoritären Staates abdriften, wo Recht und dessen Achtung zu lästigen Begleiterscheinungen auf dem Weg in die Mediendiktatur geworden sind. Komisch: über die Angriffskriege es Duce (Abessien, Albanien, Griechenland, Kroatien), die den Völkern dort und den Italienern Tote über Tote, Leid und Elend gebracht haben, verlieren die neuen Bewunderer Mussolinis kein Wort. Es lohnt sich, in italienischen Dörfern vor Kriegerdenkmlern innezuhalten und die langen Namenslisten zu lesen. Seit einigen Jahren, auch schon vor der 2. Amtszeit von Berlusconi, wird in Italien die Geschichte umgemodelt in die Richtung "so schlimm war es doch gar nicht". Man kennt das ja auch aus D., wo dann der Bau der Autobahnen an den Harren herangezogen wird. In Italien sind es dann die Züge, die immer pünktlich fuhren, die großen Urbarmachungen (Pontinische Sümpfe bei Latina, Mussolinia - heute Arborea in Sardinen, die Bassa von Ferrara und Rovigo im Norden). Die meisten dieser großen Werke wurden während des Faschismus begonne und dann - oft zum größeren Teil nach dem Krieg zu Ende gebracht. Oder sie wurden während des Faschismus beendet wie der 1908 begonnene Acquedotto Pugliese, die große Fernwasserleitung, die das Wasser der großen Karstquellen von Caposele (Salerno) nach Apulien brachte und 1928 fast ganz Apulien, wo es keine Quelle, Bäche und Flüsse gibt, den Start in die Moderne eröffnete. Mussolini wusste sich vorzüglich in Szene zu setzen, vieles was uns heute lächerlich und überzogen erscheint, kam damals gut an. Also aufgepasst, keine Nachsicht mit Legenden von angebich goldenen Zeiten. Die Italiener, die ihre Geschichte kennen, sind uns für einen bewussten Umgang mit unserer und ihrer Vergangenheit nicht böse. Anse
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