Das ist heute in "Die Welt" erschienen, und ich finde gerade den letzten Satz phänomenal !!! Also Sonnenbrille raus, Wintermantel an, und ab mit einem Espresso in die Sonne !!!
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Der Wirt weiß, dass Deutsche kommen. Deshalb hat er grinsend, kopfschüttelnd auf der Terrasse gedeckt. Kein Italiener würde sich Ende Februar raussetzen, nicht mal auf Capri. Arme Capreser. Es ist Frühling, und wir haben ihn für uns allein. Die Sonne strahlt, doch verschlafen lungern die gelben, blauen, roten Palazzi in den Hängen, bewohnt sind sie noch lange nicht. Die ganze Insel liegt uns zu Füßen, nur für uns glitzert das Meer und leuchten die Orangen. Und nur für unsere ungläubigen Augen hängen pampelmusengroße Zitronen im Garten des Kochs, wandern von dort auf unsere Teller, wo die Dorade in Zitronensoße weiterschwimmen darf.
Natürlich essen wir die beste Pasta der Welt, einen besseren Kaffee haben wir nie getrunken, bessere Freunde waren wir ohnehin noch nie. Wen stören schon die Wintermäntel, was kümmern uns unsere klammen Finger, wenn sie doch Weingläser unter freiem Himmel schwenken dürfen! Zum ersten Mal im Jahr essen wir draußen - gerade weil wir kältegewohnte Deutsche sind, sind wir heute eben italienischer als die Italiener, na und! Die Wärme, die wir spüren, zeigt kein Thermometer an, sie breitet sich in uns aus, strahlt aus unseren Augen, zeigt sich auf unseren Lippen.
Der Frühling, erkennen wir, ist keine Jahreszeit, der Frühling ist ein Gefühl, eine Farbe. Iris Alanyali