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Beitrag begonnen von anse am 09.12.2010 um 20:41:17

Titel: Braucht Italien Kultur?
Beitrag von anse am 09.12.2010 um 20:41:17
Oder konkreter gesagt, das viele Geld, das dafür ausgegeben wird und dann anderswo fehlt.
Ich meine eher nein, denn die Mehrheit der Italiener sind selten oder gar nicht Kultur-User, allenfalls bei der Taufe und Hochzeit oder (dann nicht mehr aktiv) bei der Totenmesse, wo ein kulturell aufgehübschter Rahmen selbst kulturfernen Bürgern Emotionen und Erinnerungen bringt. Ich denke da an Barockkuppeln mit zarten Fresken und üppiger Vergoldung über dem Brautpaar und den Gästen, - und dafür wird ja auch gezahlt, braucht nicht der staatliche Kulturetat belastet werden.
Aber bitte, einstürzende Mauern in Pompeji …..? Das eben der Zahn der Zeit. Die meisten Besucher Pompejis sind nie in diesen mauertechnisch unsoliden Bereichs gegangen, die Bildungstouristen schon gar nicht, denn die hatten jede Mühe, in ihre Besichtigungsstunden möglichst viel an Highlights zu stopfen. Und die italienischen Schulklassen machen ohnehin nur ein abgemagertes Programm.
Also, die meisten Kulturreisenden haben gar nicht die Zeit und die Kraft, auch nur einen Bruchteil dessen zu besichtigen, was es an Kirchen, Kastellen, Museen usw. gibt.
In Palermo waren wir vor einigen Wochen in der Galleria Regionale, einem Höhepunkt der italienischen Museumslandschaft, für 2 Stunden die alleinigen Besucher. Danach leistete uns eine Gruppe aus Ostasien Gesellschaft. Und ganz allein hatten wir am Nachmittag die Galleria d’Arte Moderna für uns, un museo mozzafiato, wo die Malerei des 19. und frühen 20. Jahrhunderts ein Schlüssel zu Sizilien sein kann. Abgesehen davon sieht man viele aufregend schöne und berührende Bilder.
Den Bürgern Italiens steht ein ausreichendes Medienprogramm in TV zur Verfügung, das sie ausgiebig nutzen und auch dafür zahlen über Gebühren und die Preise für Produkte und Dienstleistungen, die im TV beworben werden.
Es ist sicherlich nett, wenn der Staub der Vergangenheit liebevoll bewahrt wird. Aber wer darf schon in den alten in Pergament gebundenen Scharteken blättern, deren Erhaltung Löcher in den Staatshaushalt reißt, die dann nicht zum Löcherstopfen auf dem erkennbar und fühlbar löcherigen Haupt- und Nebenstraßen zur Verfügung stehen.
Und dann die zehntausende an bemalten und gerahmten Leinwände, fast immer im üppigsten Großformat, die sich in den Museen kaum jemand anschaut, die allerdings auch auf dem Kunstmarkt zur Füllung von Staats- und Gemeindekassen chancenlos sind.
Der „ignoto calabrese del settecento“ zerbröselt dann in der Pfarr- oder Wallfahrtskirche oder im Heimatmuseum (museo civico).
Der Cavaliere mit seinem wachen Sinn für Bares würde das ja gerne loswerden und einkassieren.
Italien hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schon einmal vorgemacht, wie man das kulturelle Erbe erhält. Damals waren Sammler und Jäger aus USA du GB vor allem unterwegs und kauften den Grundbestand ihrer großen Kunstsammlungen zusammen. Und haben dabei verhindert, dass dieser und jener Antonello und Bellini zerbröselt ist.




Titel: Re: Braucht Italien Kultur?
Beitrag von dolcevita am 10.12.2010 um 15:57:38
Ja, braucht es!
Einer meint. es wird dafür zuviel ausgegeben, der Andere zuwenig, man bräuchte es an anderer Stelle nötiger, hat alles ein Für und Wider.

Ich würde aber die ital. Gesellschaft nicht insgesamt als kulturell un-
intessiert sehen.

Klar gibt es Leute, die stundenlang TV sehen, klar gibts die seichten
Sendungen. Aber ehrlich, die gibts mittlerweile doch überall. Überall
der selbe billige, schnell produzierte Mist von Soaps ecc. hat doch
ganz Europa infiziert. Wer mag kanns ja sehen.

Und wenn man soviel Kulturgüter wie Italien hat, wie soll man das alles
finanziell stemmen. Wenn, wie ich mal hörte, allein die Provinz Siena
soviel Kulturschätze hat, wie das ganze Spanien, das will alles
erhalten werden.

In dem Umfeld, in dem ich mich bewege, sind meine Freunde, Be-
kannte durchaus kulturinteressiert. Die Toscani haben mir schon
so einiges von ihrer schönen Heimat gezeigt und wissen es auch
zu schätzen, wobei sie nicht nur auf ihre Region begrenzt sind.

Welche Programm die Schulklassen machen, kann ich nicht sagen.
Ich sehe viele Schulklassen im März und April sei es in Vinci oder
S. Gimignano, Firenze oder anderswo. Da kanns ja nicht so schlecht be-
stellt sein, mit dem näher bringen der Kultur?
Das ganze Jahr über und nicht nur zur Ferienzeit, sind
ital. Touristen am Wochenende zu sehen, die
kommen aus dem Norden oder Roma und die interessieren sich
für ihre Heimat, das ist nicht zu übersehen.
Demnach meine ich,  braucht Italien wie jedes andere Land der Welt seine Kultur, Kulturerhalt.

Wobei ich auch Leute hier kenne, die sich dafür gar nicht interessieren,
meistens die Alten, die nicht über Firenze hinausgekommen sind.
So facettenreich das Land ist, sind auch die Einwohner - so wie überall.






Titel: Re: Braucht Italien Kultur?
Beitrag von lubcina am 10.12.2010 um 18:00:07
Als wir 2006 nach Rom gezogen sind, gab es hier unter Veltroni noch ein ziemlich reichhaltiges kulturelles Angebot, u.a. regelmäßige Gratis-Konzerte, von der Provinz finanziert, wo man auch Meister wie Ennio Morricone oder Nicola Piovani bei freiem Eintritt erleben konnte. Wenn man die begeisterte Menschenmenge sieht, die bei solchen Anlässen den Saal füllt, kann man kaum von generellem kulturellem Desinteresse sprechen. Es gab auch die "Notte bianca", in der eine ganze Nacht lang die Museen geöffnet hatten und in allen Teilen Roms besondere Veranstaltungen stattfanden, alles gratis - ich kann euch sagen, da wälzten sich wahre Massen durch die Straßen!

Leider hat der jetztige Bürgermeister den Großteil dieser Angebote kurzerhand gestrichen. Ich habe nicht den Eindruck, daß dieses Geld nun für "sinnvollere" Dinge ausgegeben wird. Natürlich gibt es - wie überall - Leute, die all das nicht die Bohne interessiert, doch insgesamt war ich positiv überrascht von den vielen Kultur-Begeisterten. Beim jährlichen Literaturfestival hat man oft Mühe, überhaupt reinzukommen bei dem großen Andrang - und das, obwohl die Italiener nicht gerade für Lesefreude bekannt sind. ;)

Auf jeden Fall ist das "Geld, das anderswo fehlt" bestimmt nicht in der Kultur versackt, sondern in völlig anderen Kanälen. Für Bildung und Kultur wird derzeit weniger denn je ausgegeben!!

Titel: Re: Braucht Italien Kultur?
Beitrag von dolcevita am 11.12.2010 um 01:05:09
ja leider - für Kultur  und Bildung wird weniger ausgegeben, nicht nur in
Italien sieht man sich da in einer Zwangslage. Und was die Bildungsaus-
gaben in Italien betrifft, es gibt etliche Professoren die überall zu finden
sind, nur nicht da wo sie eigentlich sein sollten.

Titel: Re: Braucht Italien Kultur?
Beitrag von solemarsicilia am 11.12.2010 um 08:40:35

lubcina schrieb am 10.12.2010 um 18:00:07:
Leider hat der jetztige Bürgermeister den Großteil dieser Angebote kurzerhand gestrichen. Ich habe nicht den Eindruck, daß dieses Geld nun für "sinnvollere" Dinge ausgegeben wird.

Doch wird es: Er hat seinen Freunden und Verwandten Jobs bei der Stadtverwaltung besorgt!
Italien hat wie kaum ein anderes Land Kultur. Dass sich viele Italiener nicht besonders darum kümmern ist traurig. Was es allein in Palermo zu sehen gibt, würde andere Länder neidisch machen. Vieles davon erfährt nicht die notwendige Beachtung von Seiten seiner Bewohner, aber wenn dies zumindest die Touristen würdigen, ist es ja auch eine gute Investition. Allerdings ist den Italienern schon klar, dass sie dieses tolle Erbe besitzen und vielen reicht es scheinbar, es zu wissen! Da kann halt jeder nur in seinem sozialen Umfeld (seinen Kindern oder Schülern) ein Vorbild geben. Genau wie bei der Mülltrennung. Wir machen es, weil für uns sinnvoll ist! Italien ist pleite. Warum, ist bekannt.

Titel: Re: Braucht Italien Kultur?
Beitrag von j.l. am 11.12.2010 um 13:04:26
auch "chamäleon" rutelli hat als er buergermeister von rom war, freunde und verwandte bevorzugt behandelt. skandal! die geschichte von "chamaeleon" fini ist ja auch weitgehenst bekannt. zusammen mit ex-andreotti sekretaer casini wollen sie nun italien von berlusconi befreien?

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